Der
Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum
von KISP
und
BPS
Therapiearten
– Active Surveillance, AS
(aktive Überwachung)
-
Die
Active Surveillance (diese aus dem Englischen stammende Bezeichnung
wird auch im deutschen Sprachgebrauch überwiegend benutzt) ist
keine tatsächliche Therapie, sondern eine Behandlungsstrategie.
Ihr liegt die Erkenntnis zugrunde, dass bei vielen Männern zwar
ein Prostatakrebs diagnostiziert wird, dieser aber zeitlebens keine
Symptome verursachen wird und darum nicht behandlungs-, wohl aber
beobachtungsbedürftig ist.
-
Mit
der "Interdisziplinären
Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und
Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms"
("S3-Leitlinie"), die im September 2009 der Öffentlichkeit
vorgestellt wurde und den aktuellen Stand der Schulmedizin zur
Behandlung des Prostatakarzinoms darstellt, wurde erstmals in der
Geschichte der deutschen Urologie aus dieser Erkenntnis eine
Behandlungsstrategie definiert. Bis zum Erscheinen der Leitlinie
galt der eherne Grundsatz, dass jedes Prostatakarzinom
behandlungsbedürftig sei.
-
Man
geht dabei davon aus, dass ein Prostatakarzinom nicht zwingend
sofort behandlungsbedürftig zu sein braucht, wenndie folgenden
Parameter gegeben sind:
-
*
PSA-Wert ≤ 10 ng/ml;
* Gleason-Score ≤ 6;T1c und T2a;
*
Tumor in ≤ 2 Stanzen;
* ≤ 50 % Tumor in einer Stanze. -
Ferner
heißt es in der Leitlinie:
-
*
"Patienten mit einem lokal begrenzten PCa, die für eine
lokale kurative Behandlung in Frage kommen, sollen nicht nur über
Behandlungsverfahren wie radikale Prostatektomie, Strahlentherapie
und Brachytherapie, sondern auch über Active Surveillance (AS)
informiert werden.
-
*
Bei Patienten mit lokal begrenztem PCa, die für eine kurative
Behandlung in Frage kommen, sollen die unerwünschtenWirkungen
und Therapiefolgen von radikaler Prostatektomie, perkutaner
Strahlentherapie und Brachytherapie gegen das Risiko einer nicht
rechtzeitigen Behandlung im Falle einer
Active-Surveillance-Strategie abgewogen werden.
-
*
Der Tumor soll in den ersten beiden Jahren durch PSA-Bestimmung und
digitale rektale Untersuchung (DRU) alle drei Monate kontrolliert
werden. Bleibt der PSA-Wert stabil, ist sechsmonatlich zu
untersuchen. Biopsien sollen alle 12 bis 18 Monate vorgenommen
werden.
-
*
Active Surveillance soll verlassen werden, wenn sich die
PSA-Verdopplungszeit
auf
weniger als drei Jahre verkürzt oder sich der Malignitätsgrad
auf einen Gleason-Score über 6 verschlechtert.
-
Ob
irgendwann doch eine aggressivere Behandlung (Prostatektomie oder
Bestrahlung) erforderlich wird, hängt somit von der
weiterenEntwicklung der Erkrankung ab. Zumindest gewinnt der Patient
Lebensjahre ohne eine Beeinträchtigung der Lebensqualität.
-
Die
Active Surveillance darf nicht verwechselt werden mit dem Watchful
Waiting, einer anderen Behandlungsstrategie für einen anderen
Patientenkreis.
-
Literatur
zu Active Surveillance:
-
*
Active
Surveillance or Active Treatment in Localized Prostate Cancer?
(Artikel in Englisch)
-
– Ed
- erausge
schrieb am 27.3.2010:
-
Ich
habe einen OP-Termin für Ende April und diese Entscheidung war
schon für mich gefällt (da Vinci, nerverhaltend). Nun ist
mir von ärztlicher Seite (urologischer Chefarzt einer größeren
Klinik) die o. g. Methode [Active
Surveillance – Ed] nahegelegt worden, da meine
Krankendaten dafür sprechen würden.
-
-
Alter 54, PSA 5,2, Gleason 3+3, tc1, Befund in nur einer Stanze 5 %.
-
Womöglich
hat ja jemand Erfahrungen mit Active Surveillance gemacht.
-
Dazu
schrieb Heribert am selben Tag:
-
Wenn
der Chefarzt mit AS nur kontrolliertes Abwarten meint, würde
ich mich nicht darauf einlassen. Es bedeutet nämlich
engmaschige PSA-Kontrollen mit festzulegenden Re-Biopsien und
Aufschieben einer Therapieentscheidung.
-
Wenn
AS bedeutet, vollständige Umstellung der Ernährung mit
körperlicher Aktivität und der vorgenannten ärztlichen
Überwachung, würde ich das Risiko, welches Du damit
eingehst, als gering bezeichnen und unter Umständen eine ganze
Reihe von Jahren ohne weitere Therapie und ohne Verlust von
Lebensqualität klar kommen.
-
Unser
Forumfreund "Schorschel" macht seit fünf Jahren AS,
hat aber zusätzlich die relativ teure AHIT-Therapie
mit einbezogen. Er wird sich, so er Zeit hat sicher zum Thema
melden.
-
Am
selben Tag Hutschi:
-
Erst
in den letzten Tagen bin ich zu einem Link gekommen, den Du bitte
mal
hier lesen solltest. Man kann vorab telefonisch Kontakt
aufnehmen, um noch spezielle Fragen hierzu mit Dir abzuklären.
Prof. Semjonow vom Klinikum Münster unterstützt persönlich
dieses Projekt. Wenn Du überzeugt bist, dass Deine Werte den
Einschlusskriterien entsprechen, stünde hiermit eine wirkliche
Möglichkeit für "active surveillance" zur
Verfügung. Viel Glück.
-
Ralf:
-
Hier
kannst Du die Kriterien zur Active Surveillance nachlesen, wie sie
in der neuen S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und
Therapie des Prostatakarzinoms definiert sind. Du erfüllst die
Kriterien, abrer wie viele Stanzungen wurden gemacht?
-
Die
AS ist auch eine Nervensache.
-
Strahlentherapeut
Daniel Schmidt schrieb am 28.3.2010:
-
AS
kann man mit diesem Tumorstadium machen.
-
Aufgrund
des Alters kann man aber davon ausgehen, dass Sie irgendwann in
Ihrem Leben doch eine Behandlung (Op, Strahlentherapie,
Hormontherapie) brauchen werden.
-
Sie
sind erst 54. Ich glaube nicht, dass Sie 20 Jahre "nur"
mit AS gut fahren werden.
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Am
selben Tag der oben angesprochene Schorschel:
-
Bevor
Du Dich endgültig entscheidest, lies doch mal diesen
Beitrag von mir, in dem ich meine Gedanken zur AS
zusammengefasst habe.
-
In
diesem Thread gibt es darüber hinaus noch viele Hinweise, die
für Dich interessant sein könnten.
-
Wichtig
ist auch, wie Ralf schreibt, Deine innere Einstellung (Stichwort
"Nervensache"). Für mich existiert mein Krebs in
meinem täglichen Leben überhaupt nicht mehr, und zwar
solange, bis ich Indizien bemerke, dass sich irgendetwas tut. Ich
kümmere mich um mein Immunsystem, lebe halbwegs vernünftig
und sehe mir alle drei bis vier Monate mal meinen PSA-Wert an
(einschl. fPSA). Einmal im Jahr Blutwerte generell, und einmal im
Jahr Ultraschall, um das Prostatavolumen zu kontrollieren (weil der
PSA-Wert mit selbigem korreliert).
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Ob
das zehn Jahre so geht oder "keine 20 Jahre", wie Daniel
Schmidt schreibt, ist mir völlig wurscht. Ich gewinne in jedem
Fall viele, viele Jahre ungetrübter Lebensqualität.
Kurative Schritte kann ich dann immer noch ergreifen. Ich war bei
meiner Diagnose übrigens nicht so fürchterlich viel älter
als Du.
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Überlege
Dir, ob Du so mit Deinem PK umgehen kannst wie ich. Du kannst das ja
mal sechs Monate testen. Die OP läuft Dir ja nicht weg.
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Da
war Strahlentherapeut Daniel Schmidt anderer Ansicht. Wieder am
28.3.2010 schrieb er:
-
Das
ist teilweise nur richtig. Es gibt durchaus Fälle wo zwei
Sachen daneben gehen können:
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1.
AS wird am Anfang konsequent, später nicht mehr so konsequent
durchgezogen. Dann eines Tages schaut mal wieder nach und entdeckt
nun einen weit fortgeschrittenen Tumor ggf. mit Metastasen. Dann hat
man verloren. Das heißt, AS darf man nur konsequent betreiben.
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2.
Unter AS erkrankt man an etwas Anderem oder erreicht ein Alter, wo
eine sinnvole kurative Behandlung nicht mehr machbar oder mit mehr
Nebenwirkunen machbar ist.
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Man
weiß, dass ältere Patienten sich schwerer von den
Nebenwirkungen einer OP oder Bestrahlung erholen.
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Trotzdem
stimme ich der Einschätzung zu, dass die physische
Lebensqualität (nicht die psychische!) unter AS besser als
unter jeder anderen Therapie ist.
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Dem
widersprach wiederum Schorschel:
-
Die
Aussage bzgl. "nicht die psychische Lebensqualität"
bestreite ich – es sei denn, sie ist evidenzbasiert :-)).
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Die
Angst z. B. nach einer OP, ob Kontinenz/Potenz wiederkommen, ob
ein Rezidiv kommt, die psychische Dauerbelastung einer reduzierten
(wenn überhaupt) Potenz, die OP selbst, die postoperative Zeit
bis zur Rekonvaleszenz usw. usw. – ob mich das summa summarum
nach einer OP weniger belastet hätte als meine jetzige
AS-Situation, das bezweifle ich schon sehr.
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Darauf
antwortete Strahlentherapeut Daniel Schmidt am 29.3.2010:
-
1.
Die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv nach einer OP oder
Radiotherapie eines frühen Prostatakarzinoms ist statistisch
gesehen deutlich geringer als die Wahrscheinlichkeit für einen
Tumorprogress wenn man AS bei einem gleichen Tumor betreibt. Das ist
bewiesen. Insofern sollte die Angst vor einem Rezidiv nach Therapie
kleiner als die Angst vor einem Progress ohne Therapie sein.
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2.
Die Angst ist direkt an der Anzahl und dem Ausmass der
Untersuchungen verbunden. Je mehr Untersuchungen notwendig sind, um
so höher die Angst "man könnte was finden". Bei
AS sind mehr Untersuchungen als bei der normalen Nachsorge nach
OP/Bestrahlung erforderlich (häufigere PSA-Messungen,
Rebiopsien, Tasten, usw...).
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3.
Die Angst vor Nebenwirkungen ist ganz klar da wenn man sich für
eine OP/Bestrahlung entscheidet. Allerdings treten diese
Nebenwirkungen meistens gleich auf. Ich kenne keinen Patienten der
plötzlich 3 Jahre nach OP inkontinent aufgrund der OP wurde.
Entweder ist man dicht oder eben nicht.
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Mit
der Erektion oder Darmnebenwirkungen kann das bei der Bestrahlung
anders sein, allerdings sind Nebenwirkungen dort entweder selten
oder für viele Patienten nicht mehr relevant.
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LowRoad
übersetzte am 14.3.2012 einen Online-Vortrag
von Dr. Charles "Snuffy" Myers zur Active Surveillance, in
dem sehr gut zusammengefasst ist, worum es bei der AS geht:
-
Hallo,
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bin
gerade vom Skilaufen aus Jackson Hole zurückgekommen, weshalb
meine Haare etwas durcheinander sind. Ich habe mir mal eure
Kommentare zu früheren Videos angeschaut die zwischenzeitlich
hier angekommen sind. Dabei wurde mir klar, dass es ein paar Fragen
bezüglich der Video-Serie über Active Surveillance vs.
Watchful Waiting gibt. Die endlose Diskussion darüber
verdeutlicht mir, dass es eine größere Gruppe von
Patienten gibt, die diesen Ansatz missverstanden haben, nicht
wissen, was Active Surveillance ausmacht.
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Sowohl
aufgrund unserer Newsletter als auch der Videos bekommen wir immer
wieder eine Frage vorgelegt: "eine Biopsie zeigte einen
Gleason-6-Prostatkrebs, aber nach radikaler Prostatektomie hatte ich
ein Gleason 8, 9 oder 10! Kommt das nicht öfter vor, dass man
nach Operation aggressivere Tumore sieht, verglichen mit den
Biopsie-Ergebnissen?" Nun, offensichtlich ist das so, und
deshalb wurde das Active-Surveillance-Protokoll entwickelt. Wenn wir
wüssten, dass ein Gleason 6 immer ein Gleason 6 ist, bräuchten
wir kein Active Surveillance durchführen. Wir könnten es
schlicht ignorieren – einfach vergessen. Das wäre
Watchful Waiting. Active Surveillance wurde speziell wegen zur Zeit
ungenügender Stadiendiagnostik entwickelt. Bei etwa 1/4 bis zu
1/3 aller operierten Patienten zeigt sich, dass eine weitere
Ausbreitung des Krebses vorliegt, oder er sich aggressiver
darstellt. Active Surveillance ist ein Versuch genau dieses Problem
einzubeziehen, und das funktioniert.
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Die
entscheidende Studie diesbezüglich wurde durchgeführt von
Dr. Ballentine Carter vom Johns Hopkins. Ein seit Jahren bekannter
Urologe, erstklassiger Operateur und außerdem ein netter Kerl.
Er hat eine Studie mit dem Pathologen Jonathan Epstein, auch vom
Johns Hopkins, durchgeführt, um die Patienten mit
Niedrig-Risiko-Erkrankung nach Biopsie weiter zu charakterisieren.
Es erfolgte eine enge Überwachung. Mittels
Transrektal-Ultraschall (TRUS) und Rebiospie alle sechs bis zwölf
Monate. So genau weiß ich es nicht mehr, aber sie wurden in
sehr engen Abständen überprüft. Wenn sich eine
höhergradige Erkrankung entwickeln sollte, könnte man
diese rechtzeitig erkennen und die Patienten operieren. Die Studie
konnte zeigen, dass man mit Überwachung Erkrankungen sicher
erkennen konnte, die die Eigenschaft besitzen, sich
organüberschreitend auszubreiten, und diese rechtzeitig zu
operieren. Active Surveillance, wo die Überwachung richtig
durchgeführt wird, mit TRUS und Re-Biopsien, konnte erfolgreich
diejenigen Patienten herausfiltern, die eine aggressivere Erkrankung
aufwiesen, als es anfangs vermutet worden war.
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Lassen
sie mich das nochmals betonen, Active Surveillance wurde speziell
wegen dieser Bedenken entwickelt. Die Möglichkeit der Erkennung
höhergradiger Erkrankung ist abhängig von der Effektivität
der Eingangsdiagnose. Das verbessert sich kontinuierlich. Ich hatte
Patienten mit Gleason 6 in drei Biopsie-Stanzen, und im
Operationspräparat zeigte sich ein Gleason 8. Niemand in der
Urologie würde drei Stanzen als angemessene Vorgehensweise
ansehen, verrückt. Die Anzahl der vorzunehmenden Stanzen ist
bei den Urologen eigentlich klar geregelt. Ein Teil des Problems
sind demnach die Ärzte mit unzureichender Vorgehensweise.
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Das
nächste Problem ist, dass nach Zweitmeinung der Stanzen aus
einem Gleason 6 ein höhergradiger Krebs wird. Nun, deshalb
sollte man einen guten Pathologen damit beauftragen, nicht einen
Stümper. Deshalb hatte ich Dr. Oppenheimer neulich eingeladen,
eines meiner Videos als Gastbeitrag zu gestalten [Your
PCa Pathology Report]. Sollten Sie Active-Surveillance machen
wollen, dann sollten Sie den Gleason-Grad durch eine geeigneten
Pathologen beurteilen lassen.
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Transrektaler
Ultraschall (TRUS) kann einen in die Irre führen. Eine Menge
Forschung erfolgt in diesem Bereich der Urologie, bessere Bildgebung
betreffend. Seit vielen Jahren empfehle ich Dr. Bahn in
Südkalifornien mit seinem Color-Doppler-Ultraschall (CD-TRUS).
Wenn er sagt, man hätte eine Gleason-6-Erkrankung, dann ist das
Risiko einer höhergradigen Erkrankung zu dieser Zeit sehr
gering. Natürlich können sich höheraggressive
Erkrankungen im Verlauf noch entwickeln. Und deshalb machen wir
Active Surveillance, nicht Watchful Waiting, was den pathologischen
Verlauf ignorieren würde.
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MRT,
Magnetresonanztomografie, entwickelt sich sehr schnell als
Diagnosetechnik. Multi-Parametric-MRI scheint wirklich sehr
aussagekräftig zu sein. Aber selbst ein Endorektal-MRT, was
hierzulande [d. h. in USA – Ed]
flächendeckend vorhanden ist, besitzt einen guten
Negativ-Vorhersagewert. Das bedeutet, wenn man im Endorektal-MRT
keine lebensbedrohende Erkrankung sieht, dann ist sie wahrscheinlich
auch nicht vorhanden.
-
Eine
MRT kann die Anzahl der Wiederholungsbiopsien reduzieren. Das
Schlechte an Active Surveillance ist nicht, dass es versagt, sondern
die vielen Rebiopsien, worüber die Patienten wahrlich nicht
glücklich sind. Wenn die Bildgebung immer besser und besser
wird, vermindert sich die Notwendigkeit der Rebiopsien entsprechend.
Lassen sie mich das nochmals betonen:
-
Active
Surveillance wird mit kurativer Intention durchgeführt!
-
Das
Ziel von Active Surveillance ist es, die Patienten in zwei Gruppen
zu teilen. Solche mit eindeutiger Gleason-6-Erkrankung, ohne
Notwendigkeit der Operation, und gleichzeitig werden solche
Patienten mit aggressiveren Erkrankungen rechtzeitig erkannt, um sie
rechtzeitig zu behandeln – Operation oder Strahlentherapie
kann das vollziehen. Ich hoffe, das beantwortet ein paar Fragen von
euch. Da wurde doch Active Surveillance und Watchful Waiting etwas
durcheinander gebracht.
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Weiterhin
erhielt ich Nachrichten von Patienten, die Watchful Waiting oder
Active Surveillance als Rezidivtherapie nach Operation oder
Strahlentherapie einsetzen wollen. Das hat hierbei aber keine
Bedeutung. Beobachtung des PSA-Wertes nach Primärtherapie ist
lediglich Beobachtung, das ist weder WW noch AS!
-
Also
es ist wichtig, das korrekt zu verstehen, um mit euren Ärzten
qualifiziert kommunizieren zu können. Ich hatte ein tolle Zeit
in Jackson Hole, und nun ist es gut, auch wieder hier zu sein.
Wünsche euch noch einen schönen Tag!
-
[Dr.
Charles "Snuffy" Myers ist ein bekannter amerikanischer
Onkologe/Hämatologe, der selbst an Prostatakrebs erkrankte und
sich ganz auf die Behandlung von Prostatakrebs-Patienten
spezialisiert hat – Ed]
-
Urologe
fs schrieb am 3.10.2013 unter dem Betreff „Active
Surveillance, wiederholte Biopsien, Erektionsstörungen“:
-
Die
Leitlinien sehen bei der AS die mindestens zweijährliche
Re-Biopsie vor. Aber, werden sich viele gefragt haben, was gibt es
außer der Infektion noch für Nebenwirkungen?
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Gefährden
AS und Biopsie möglicherweise meine Erektionsfähigkeit
(Biospsie trifft z. B. das Nervenbündel ..) mehr als OP
und Bestrahlung???
-
Ich
habe hier deswegen mal einen Artikel dazu angefügt:
-
Auswirkung
wiederholter Biopsien bei Prostatakrebs-Patienten unter Active
Surveillance auf erektile Funktion
-
Bei
vermehrter Diagnose von Prostatakrebs in einem frühen
Krankheitsstadium sollen Patienten mit einem Low-risk-Tumor häufiger
mit Active Surveillance die Therapiemaßnahmen bis zur
Krankheitsprogression verschieben können. Damit verbunden ist
die in regelmäßigen Abständen stattfindende
Überwachung des Tumors in Biopsie-Stanzen. Diese werden heute
routinemäßig durch Ultraschall-geleiteten Eingriff mit
relativ geringem Risiko für ernsthafte Komplikationen gewonnen.
Dennoch sollte einer des Öfteren vorgebrachten Hypothese
nachgegangen werden, wonach wiederholte Prostata-Biopsien womöglich
zu einer verminderten erektilen Funktion führen könnten
(Braun K, et al. 2013):
-
Bisherige
Mitteilungen über die erektile Funktion nach Prostata-Biopsien
sind widersprüchlich: Einige Untersucher berichten von akuter
bis lang anhaltender erektiler Dysfunktion (ED), andere wiederum
konnten keinen Effekt ermitteln.
-
Es
wurden 342 Männer identifiziert, bei denen die erste
Prostata-Biopsie zwischen 2000 und 2009 vorgenommen worden war.
Daten der Nachbeobachtung reichen bis Oktober 2011. Die erektile
Funktion (EF) wurde anhand der sechs EF-Fragen des International
Index of Erectile Function (IIEF)-Fragebogens eingestuft.
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Die
Patienten waren median 64 (58–68) Jahre alt. Anfänglich
wurde ein medianer PSA-Wert von 4,7 (3,3–6,6) ng/ml ermittelt.
Die mediane Dauer unter Active Surveillance betrug 3,5 Jahre. Von
den Männern hatten 41 % Hypertonie [erhöhten
Blutdruck – Ed] und 44 % Dyslipidämie
[Fettstoffwechselstörung mit erhöhtem
Cholesterin- und/oder der Triglyceridspiegel – Ed].
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Bei
den 342 Patienten unter Active Surveillance wurden insgesamt 521
Bestimmungen des IEF-6-Score durchgeführt. Die Scores nahmen
während der Nachbeobachtung geringfügig ab (1,0
Punkte/Jahr über vier Jahre hinweg). Wurden nur Patienten ohne
eine zu Beginn bestätigte erektile Funktion (n=79)
berücksichtigt, war der Trend ganz ähnlich (Erniedrigung
um 1,5 Punkte/Jahr über die ersten vier Jahre mit Active
Surveillance).
-
Hatten
Patienten zu Beginn der Untersuchung zwei oder mehr Komorbiditäten,
war die erektile Funktion deutlich schlechter als bei Patienten mit
keiner oder nur einer Komorbidität. Der Abfall über die
Nachbeobachtungszeit war jedoch unabhängig von der anfänglichen
Komorbidität. Die Verringerung des IIEF-6-Score stand auch im
Zusammenhang mit der Anzahl der Biopsien. Zugleich stieg der Anteil
der Patienten, von denen PDE5-Hemmer angewandt wurden von 1 %
auf 15 % im Jahr 5 der Studie. Auch die Zunahme der
PDE5-Anwendung stand im Zusammenhang mit der Anzahl der Biopsien.
-
Bei
den longitudinal nachverfolgten Prostatakrebs-Patienten unter Active
Surveillance wurden eine leichte Verschlechterung der erektilen
Funktion und die vermehrte Anwendung von PDE5-Hemmern beobachtet.
-
⇒ Es
war nicht möglich, den Effekt wiederholter Prostata-Biopsien
vom natürlichen Alterungsprozess auf die erektile Funktion
abzugrenzen. Die Befunde sprechen allerdings für die Folgerung,
dass vermehrte Biopsien im Zusammenhang mit Active Surveillance die
erektile Funktion kaum negativ beeinflussen.
-
–-
-
Braun
K, Ahallal Y, Sjoberg DD, et al. 2013. Effect of repeated prostate
biopsies on erectile function in men under active surveillance for
prostate cancer. J Urol [Epub ahead of print].
- LowRoad
schrieb am 13.7.2016 unter dem Betreff „PRIAS - Prostate
Cancer Research International Active Surveillance“:
-
Hier
möchte ich über eine Active Surveillance Studie berichten,
die ausgehend von der PSA-Diagnose Studie ERSPC, versucht hat die
unbefriedigende Übertherapieproblematik durch eine
Active-Surveillance Strategie zu überwinden. Gestartet wurde
sie 2006 an der Erasmus Universität (Rotterdam, The
Netherlands). In den folgenden Jahren haben sich dann auch einige
Kliniken andere Länder beteiligt. Die PRIAS Studie schloss
insgesamt etwa 5300 Männer aus 18 Ländern ein:
-
Heute,
zehn Jahre nach dem Start dieser Studie, wurde von Bokhorst und
Kollegen im "European Urology"[1] ein erstes
Zwischenergebnis präsentiert. Eingeschlossen wurden Männer,
die der klassischen Niedrigrisikogruppe zuzuordnen waren:
-
- Stadium
≤T2c
- max. 2 positive Biopsiestanzen (Anzahl der
Stanzen je nach Prostatvolumen: <40 cm³: 8, 40-60 cm³:
10, >60 cm³: 12 Stanzen)
- Gleason Grad ≤6
- PSA ≤10ng/ml und eine PSA Dichte von ≤0.2ng/ml je ml
Prostatavolumen
-
Die
aktive Überwachung verlangte eine PSA-Kontrolle alle drei
Monate, eine Tastuntersuchung alle sechs Monate. Kontrollbiopsien
waren nach einem, vier und sieben Jahren fällig. Bei kurzer
PSA-Verdopplungszeit wurde die Rebiospierate erhöht.
-
Wurden
im Laufe der Zeit die oben genannten Einschlusskriterien verletzt,
musste der Patient die Aktive Überwachung zugunsten einer
anderen Therapieform abbrechen. Nach fünf bzw. zehn Jahren
waren das 52 % bzw. 73 %. Nicht alle davon wegen
Verletzung der Einschlusskriterien, manche kamen auch mit der
mentalen Belastung nicht klar, oder verließen die Studie aus
anderen, unbekannten Gründen.
-
Interessant
ist nun die Feststellung, dass etwa ⅓ der Patienten, die eine
radikale Prostatektomie als Therapieform wegen Verletzung der AS
Kriterien gewählt hatten, in der postoperativen Pathologie
keine Situation vorgefunden wurde, die einen Abbruch der
AS-Strategie verlangen oder nahelegen würde. In den meisten
Fällen waren es mehr als zwei positive Stanzen, oder eine
Verkürzung der PSA-Verdopplungszeit unter drei Jahre.
-
Dies
ist nun wieder weniger überraschend, wo wir ja mittlerweile
alle wissen, dass reine schablonenhaftes Biopsieren durchaus
unterschiedliche Areale treffen, oder eben verfehlen kann. Weiterhin
ist uns auch klar, dass eine PSA-Dynamik nicht unbedingt
tumorassoziiert sein muss. Bokhorst erklärt dann folgendes
Ergebnis dieser Studie:
-
...
Wir schlagen eine Modernisierung des Gleason Grades, sowie eine
Änderung des Tumorstadiums in ein ≥cT3 als den einzigen
Indikator für eine sofortige Umstellung auf eine aktive
Behandlung vor. Surrogate Indikatoren (zum Beispiel mehr als zwei
positive Biopsiestanzen oder einen schnell steigenden PSA Wert)
sollte nicht eine sofortige aktive Behandlung auslösen, sondern
erst einmal nur zu weiteren Untersuchungen führen, um den
Verdacht auf ein höheres Krankheitsrisiko zu bestätigen.
-
Dies
sind nun doch sehr mutige Aussagen, die dem aktuellen Vorgehen eher
nicht entsprechen. Allerdings dürfte heutzutage sowieso die
AS-Überwachung durch Bildgebung hin optimiert werden. Ebenso
hat es sich gezeigt, dass bei bedeutenden Gleason-4-Anteilen das
Risiko stark zunimmt und man zu einer aktiven Therapie wie Operation
oder Bestrahlung wechseln sollte. Eine Gleason-Reklassifizierung,
die im Wesentlichen zwischen Gleasen 7a, 7b und ≥8 unterscheidet,
ist in Diskussion.
-
Hinweisen
möchte ich darauf, dass das Risiko, am Prostatakrebs zu
versterben, auch bei Aktiver Überwachung nicht gegen Null
tendiert, denn es wird leider immer ein paar übersehene
Hochrisikosituationen geben, aber es erscheint äußerst
niedrig. Eine generelle aktive Therapie würde dies kaum
verbessern können, denn auch dabei würden nicht alle diese
indolenten Hochrisikopatienten kurativ behandelbar sein, aber alle
behandelten Männer würden das volle Therapierisiko tragen.
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Weiterhin
ist zu berücksichtigen, dass das Todesrisiko aus anderen
Gründen bei diesen Männern um ein Vielfaches höher
liegt, aber meist sträflich unberücksichtigt bleibt!
Urologen sind halt keine Allgemeinmediziner.
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Auch
die Lebenserwartung meint es nicht immer gut mit uns, müssen
wir doch alle irgendwann einmal gehen. Und ob der PSA-Wert dann
0,01 ng/ml oder 35 ng/ml ist – wen
kümmert’s?!
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[1]:
Leonard P. Bokhorst; A Decade of Active Surveillance in the PRIAS
Study: An Update and Evaluation of the Criteria Used to Recommend a
Switch to Active Treatment.
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