Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Therapiearten – Active Surveillance, AS
(aktive Überwachung)

Die Active Surveillance (diese aus dem Englischen stammende Bezeichnung wird auch im deutschen Sprachgebrauch überwiegend benutzt) ist keine tatsächliche Therapie, sondern eine Behandlungsstrategie. Ihr liegt die Erkenntnis zugrunde, dass bei vielen Männern zwar ein Prostatakrebs diagnostiziert wird, dieser aber zeitlebens keine Symptome verursachen wird und darum nicht behandlungs-, wohl aber beobachtungsbedürftig ist.
Mit der "Interdisziplinären Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms" ("S3-Leitlinie"), die im September 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und den aktuellen Stand der Schulmedizin zur Behandlung des Prostatakarzinoms darstellt, wurde erstmals in der Geschichte der deutschen Urologie aus dieser Erkenntnis eine Behandlungsstrategie definiert. Bis zum Erscheinen der Leitlinie galt der eherne Grundsatz, dass jedes Prostatakarzinom behandlungsbedürftig sei.
Man geht dabei davon aus, dass ein Prostatakarzinom nicht zwingend sofort behandlungsbedürftig zu sein braucht, wenndie folgenden Parameter gegeben sind:
* PSA-Wert ≤ 10 ng/ml;
* Gleason-Score ≤ 6;T1c und T2a;
* Tumor in ≤ 2 Stanzen;
* ≤ 50 % Tumor in einer Stanze.
Ferner heißt es in der Leitlinie:
* "Patienten mit einem lokal begrenzten PCa, die für eine lokale kurative Behandlung in Frage kommen, sollen nicht nur über Behandlungsverfahren wie radikale Prostatektomie, Strahlentherapie und Brachytherapie, sondern auch über Active Surveillance (AS) informiert werden.
* Bei Patienten mit lokal begrenztem PCa, die für eine kurative Behandlung in Frage kommen, sollen die unerwünschtenWirkungen und Therapiefolgen von radikaler Prostatektomie, perkutaner Strahlentherapie und Brachytherapie gegen das Risiko einer nicht rechtzeitigen Behandlung im Falle einer Active-Surveillance-Strategie abgewogen werden.
* Der Tumor soll in den ersten beiden Jahren durch PSA-Bestimmung und digitale rektale Untersuchung (DRU) alle drei Monate kontrolliert werden. Bleibt der PSA-Wert stabil, ist sechsmonatlich zu untersuchen. Biopsien sollen alle 12 bis 18 Monate vorgenommen werden.
* Active Surveillance soll verlassen werden, wenn sich die PSA-Verdopplungszeit auf weniger als drei Jahre verkürzt oder sich der Malignitätsgrad auf einen Gleason-Score über 6 verschlechtert.
Ob irgendwann doch eine aggressivere Behandlung (Prostatektomie oder Bestrahlung) erforderlich wird, hängt somit von der weiterenEntwicklung der Erkrankung ab. Zumindest gewinnt der Patient Lebensjahre ohne eine Beeinträchtigung der Lebensqualität.
Die Active Surveillance darf nicht verwechselt werden mit dem Watchful Waiting, einer anderen Behandlungsstrategie für einen anderen Patientenkreis.
Literatur zu Active Surveillance:
* Active Surveillance or Active Treatment in Localized Prostate Cancer? (Artikel in Englisch)
Ed

erausge schrieb am 27.3.2010:
Ich habe einen OP-Termin für Ende April und diese Entscheidung war schon für mich gefällt (da Vinci, nerverhaltend). Nun ist mir von ärztlicher Seite (urologischer Chefarzt einer größeren Klinik) die o. g. Methode [Active Surveillance – Ed] nahegelegt worden, da meine Krankendaten dafür sprechen würden.
- Alter 54, PSA 5,2, Gleason 3+3, tc1, Befund in nur einer Stanze 5 %.
Womöglich hat ja jemand Erfahrungen mit Active Surveillance gemacht.
Dazu schrieb Heribert am selben Tag:
Wenn der Chefarzt mit AS nur kontrolliertes Abwarten meint, würde ich mich nicht darauf einlassen. Es bedeutet nämlich engmaschige PSA-Kontrollen mit festzulegenden Re-Biopsien und Aufschieben einer Therapieentscheidung.
Wenn AS bedeutet, vollständige Umstellung der Ernährung mit körperlicher Aktivität und der vorgenannten ärztlichen Überwachung, würde ich das Risiko, welches Du damit eingehst, als gering bezeichnen und unter Umständen eine ganze Reihe von Jahren ohne weitere Therapie und ohne Verlust von Lebensqualität klar kommen.
Unser Forumfreund "Schorschel" macht seit fünf Jahren AS, hat aber zusätzlich die relativ teure AHIT-Therapie mit einbezogen. Er wird sich, so er Zeit hat sicher zum Thema melden.
Am selben Tag Hutschi:
Erst in den letzten Tagen bin ich zu einem Link gekommen, den Du bitte mal hier lesen solltest. Man kann vorab telefonisch Kontakt aufnehmen, um noch spezielle Fragen hierzu mit Dir abzuklären. Prof. Semjonow vom Klinikum Münster unterstützt persönlich dieses Projekt. Wenn Du überzeugt bist, dass Deine Werte den Einschlusskriterien entsprechen, stünde hiermit eine wirkliche Möglichkeit für "active surveillance" zur Verfügung. Viel Glück.
Ralf:
Hier kannst Du die Kriterien zur Active Surveillance nachlesen, wie sie in der neuen S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms definiert sind. Du erfüllst die Kriterien, abrer wie viele Stanzungen wurden gemacht?
Die AS ist auch eine Nervensache.
Strahlentherapeut Daniel Schmidt schrieb am 28.3.2010:
AS kann man mit diesem Tumorstadium machen.
Aufgrund des Alters kann man aber davon ausgehen, dass Sie irgendwann in Ihrem Leben doch eine Behandlung (Op, Strahlentherapie, Hormontherapie) brauchen werden.
Sie sind erst 54. Ich glaube nicht, dass Sie 20 Jahre "nur" mit AS gut fahren werden.
Am selben Tag der oben angesprochene Schorschel:
Bevor Du Dich endgültig entscheidest, lies doch mal diesen Beitrag von mir, in dem ich meine Gedanken zur AS zusammengefasst habe.
In diesem Thread gibt es darüber hinaus noch viele Hinweise, die für Dich interessant sein könnten.
Wichtig ist auch, wie Ralf schreibt, Deine innere Einstellung (Stichwort "Nervensache"). Für mich existiert mein Krebs in meinem täglichen Leben überhaupt nicht mehr, und zwar solange, bis ich Indizien bemerke, dass sich irgendetwas tut. Ich kümmere mich um mein Immunsystem, lebe halbwegs vernünftig und sehe mir alle drei bis vier Monate mal meinen PSA-Wert an (einschl. fPSA). Einmal im Jahr Blutwerte generell, und einmal im Jahr Ultraschall, um das Prostatavolumen zu kontrollieren (weil der PSA-Wert mit selbigem korreliert).
Ob das zehn Jahre so geht oder "keine 20 Jahre", wie Daniel Schmidt schreibt, ist mir völlig wurscht. Ich gewinne in jedem Fall viele, viele Jahre ungetrübter Lebensqualität. Kurative Schritte kann ich dann immer noch ergreifen. Ich war bei meiner Diagnose übrigens nicht so fürchterlich viel älter als Du.
Überlege Dir, ob Du so mit Deinem PK umgehen kannst wie ich. Du kannst das ja mal sechs Monate testen. Die OP läuft Dir ja nicht weg.
Da war Strahlentherapeut Daniel Schmidt anderer Ansicht. Wieder am 28.3.2010 schrieb er:
Das ist teilweise nur richtig. Es gibt durchaus Fälle wo zwei Sachen daneben gehen können:
1. AS wird am Anfang konsequent, später nicht mehr so konsequent durchgezogen. Dann eines Tages schaut mal wieder nach und entdeckt nun einen weit fortgeschrittenen Tumor ggf. mit Metastasen. Dann hat man verloren. Das heißt, AS darf man nur konsequent betreiben.
2. Unter AS erkrankt man an etwas Anderem oder erreicht ein Alter, wo eine sinnvole kurative Behandlung nicht mehr machbar oder mit mehr Nebenwirkunen machbar ist.
Man weiß, dass ältere Patienten sich schwerer von den Nebenwirkungen einer OP oder Bestrahlung erholen.
Trotzdem stimme ich der Einschätzung zu, dass die physische Lebensqualität (nicht die psychische!) unter AS besser als unter jeder anderen Therapie ist.
Dem widersprach wiederum Schorschel:
Die Aussage bzgl. "nicht die psychische Lebensqualität" bestreite ich – es sei denn, sie ist evidenzbasiert :-)).
Die Angst z. B. nach einer OP, ob Kontinenz/Potenz wiederkommen, ob ein Rezidiv kommt, die psychische Dauerbelastung einer reduzierten (wenn überhaupt) Potenz, die OP selbst, die postoperative Zeit bis zur Rekonvaleszenz usw. usw. – ob mich das summa summarum nach einer OP weniger belastet hätte als meine jetzige AS-Situation, das bezweifle ich schon sehr.
Darauf antwortete Strahlentherapeut Daniel Schmidt am 29.3.2010:
1. Die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv nach einer OP oder Radiotherapie eines frühen Prostatakarzinoms ist statistisch gesehen deutlich geringer als die Wahrscheinlichkeit für einen Tumorprogress wenn man AS bei einem gleichen Tumor betreibt. Das ist bewiesen. Insofern sollte die Angst vor einem Rezidiv nach Therapie kleiner als die Angst vor einem Progress ohne Therapie sein.
2. Die Angst ist direkt an der Anzahl und dem Ausmass der Untersuchungen verbunden. Je mehr Untersuchungen notwendig sind, um so höher die Angst "man könnte was finden". Bei AS sind mehr Untersuchungen als bei der normalen Nachsorge nach OP/Bestrahlung erforderlich (häufigere PSA-Messungen, Rebiopsien, Tasten, usw...).
3. Die Angst vor Nebenwirkungen ist ganz klar da wenn man sich für eine OP/Bestrahlung entscheidet. Allerdings treten diese Nebenwirkungen meistens gleich auf. Ich kenne keinen Patienten der plötzlich 3 Jahre nach OP inkontinent aufgrund der OP wurde. Entweder ist man dicht oder eben nicht.
Mit der Erektion oder Darmnebenwirkungen kann das bei der Bestrahlung anders sein, allerdings sind Nebenwirkungen dort entweder selten oder für viele Patienten nicht mehr relevant.

LowRoad übersetzte am 14.3.2012 einen Online-Vortrag von Dr. Charles "Snuffy" Myers zur Active Surveillance, in dem sehr gut zusammengefasst ist, worum es bei der AS geht:
Hallo,
bin gerade vom Skilaufen aus Jackson Hole zurückgekommen, weshalb meine Haare etwas durcheinander sind. Ich habe mir mal eure Kommentare zu früheren Videos angeschaut die zwischenzeitlich hier angekommen sind. Dabei wurde mir klar, dass es ein paar Fragen bezüglich der Video-Serie über Active Surveillance vs. Watchful Waiting gibt. Die endlose Diskussion darüber verdeutlicht mir, dass es eine größere Gruppe von Patienten gibt, die diesen Ansatz missverstanden haben, nicht wissen, was Active Surveillance ausmacht.
Sowohl aufgrund unserer Newsletter als auch der Videos bekommen wir immer wieder eine Frage vorgelegt: "eine Biopsie zeigte einen Gleason-6-Prostatkrebs, aber nach radikaler Prostatektomie hatte ich ein Gleason 8, 9 oder 10! Kommt das nicht öfter vor, dass man nach Operation aggressivere Tumore sieht, verglichen mit den Biopsie-Ergebnissen?" Nun, offensichtlich ist das so, und deshalb wurde das Active-Surveillance-Protokoll entwickelt. Wenn wir wüssten, dass ein Gleason 6 immer ein Gleason 6 ist, bräuchten wir kein Active Surveillance durchführen. Wir könnten es schlicht ignorieren – einfach vergessen. Das wäre Watchful Waiting. Active Surveillance wurde speziell wegen zur Zeit ungenügender Stadiendiagnostik entwickelt. Bei etwa 1/4 bis zu 1/3 aller operierten Patienten zeigt sich, dass eine weitere Ausbreitung des Krebses vorliegt, oder er sich aggressiver darstellt. Active Surveillance ist ein Versuch genau dieses Problem einzubeziehen, und das funktioniert.
Die entscheidende Studie diesbezüglich wurde durchgeführt von Dr. Ballentine Carter vom Johns Hopkins. Ein seit Jahren bekannter Urologe, erstklassiger Operateur und außerdem ein netter Kerl. Er hat eine Studie mit dem Pathologen Jonathan Epstein, auch vom Johns Hopkins, durchgeführt, um die Patienten mit Niedrig-Risiko-Erkrankung nach Biopsie weiter zu charakterisieren. Es erfolgte eine enge Überwachung. Mittels Transrektal-Ultraschall (TRUS) und Rebiospie alle sechs bis zwölf Monate. So genau weiß ich es nicht mehr, aber sie wurden in sehr engen Abständen überprüft. Wenn sich eine höhergradige Erkrankung entwickeln sollte, könnte man diese rechtzeitig erkennen und die Patienten operieren. Die Studie konnte zeigen, dass man mit Überwachung Erkrankungen sicher erkennen konnte, die die Eigenschaft besitzen, sich organüberschreitend auszubreiten, und diese rechtzeitig zu operieren. Active Surveillance, wo die Überwachung richtig durchgeführt wird, mit TRUS und Re-Biopsien, konnte erfolgreich diejenigen Patienten herausfiltern, die eine aggressivere Erkrankung aufwiesen, als es anfangs vermutet worden war.
Lassen sie mich das nochmals betonen, Active Surveillance wurde speziell wegen dieser Bedenken entwickelt. Die Möglichkeit der Erkennung höhergradiger Erkrankung ist abhängig von der Effektivität der Eingangsdiagnose. Das verbessert sich kontinuierlich. Ich hatte Patienten mit Gleason 6 in drei Biopsie-Stanzen, und im Operationspräparat zeigte sich ein Gleason 8. Niemand in der Urologie würde drei Stanzen als angemessene Vorgehensweise ansehen, verrückt. Die Anzahl der vorzunehmenden Stanzen ist bei den Urologen eigentlich klar geregelt. Ein Teil des Problems sind demnach die Ärzte mit unzureichender Vorgehensweise.
Das nächste Problem ist, dass nach Zweitmeinung der Stanzen aus einem Gleason 6 ein höhergradiger Krebs wird. Nun, deshalb sollte man einen guten Pathologen damit beauftragen, nicht einen Stümper. Deshalb hatte ich Dr. Oppenheimer neulich eingeladen, eines meiner Videos als Gastbeitrag zu gestalten [Your PCa Pathology Report]. Sollten Sie Active-Surveillance machen wollen, dann sollten Sie den Gleason-Grad durch eine geeigneten Pathologen beurteilen lassen.
Transrektaler Ultraschall (TRUS) kann einen in die Irre führen. Eine Menge Forschung erfolgt in diesem Bereich der Urologie, bessere Bildgebung betreffend. Seit vielen Jahren empfehle ich Dr. Bahn in Südkalifornien mit seinem Color-Doppler-Ultraschall (CD-TRUS). Wenn er sagt, man hätte eine Gleason-6-Erkrankung, dann ist das Risiko einer höhergradigen Erkrankung zu dieser Zeit sehr gering. Natürlich können sich höheraggressive Erkrankungen im Verlauf noch entwickeln. Und deshalb machen wir Active Surveillance, nicht Watchful Waiting, was den pathologischen Verlauf ignorieren würde.
MRT, Magnetresonanztomografie, entwickelt sich sehr schnell als Diagnosetechnik. Multi-Parametric-MRI scheint wirklich sehr aussagekräftig zu sein. Aber selbst ein Endorektal-MRT, was hierzulande [d. h. in USA – Ed] flächendeckend vorhanden ist, besitzt einen guten Negativ-Vorhersagewert. Das bedeutet, wenn man im Endorektal-MRT keine lebensbedrohende Erkrankung sieht, dann ist sie wahrscheinlich auch nicht vorhanden.
Eine MRT kann die Anzahl der Wiederholungsbiopsien reduzieren. Das Schlechte an Active Surveillance ist nicht, dass es versagt, sondern die vielen Rebiopsien, worüber die Patienten wahrlich nicht glücklich sind. Wenn die Bildgebung immer besser und besser wird, vermindert sich die Notwendigkeit der Rebiopsien entsprechend. Lassen sie mich das nochmals betonen:
Active Surveillance wird mit kurativer Intention durchgeführt!
Das Ziel von Active Surveillance ist es, die Patienten in zwei Gruppen zu teilen. Solche mit eindeutiger Gleason-6-Erkrankung, ohne Notwendigkeit der Operation, und gleichzeitig werden solche Patienten mit aggressiveren Erkrankungen rechtzeitig erkannt, um sie rechtzeitig zu behandeln – Operation oder Strahlentherapie kann das vollziehen. Ich hoffe, das beantwortet ein paar Fragen von euch. Da wurde doch Active Surveillance und Watchful Waiting etwas durcheinander gebracht.
Weiterhin erhielt ich Nachrichten von Patienten, die Watchful Waiting oder Active Surveillance als Rezidivtherapie nach Operation oder Strahlentherapie einsetzen wollen. Das hat hierbei aber keine Bedeutung. Beobachtung des PSA-Wertes nach Primärtherapie ist lediglich Beobachtung, das ist weder WW noch AS!
Also es ist wichtig, das korrekt zu verstehen, um mit euren Ärzten qualifiziert kommunizieren zu können. Ich hatte ein tolle Zeit in Jackson Hole, und nun ist es gut, auch wieder hier zu sein. Wünsche euch noch einen schönen Tag!
[Dr. Charles "Snuffy" Myers ist ein bekannter amerikanischer Onkologe/Hämatologe, der selbst an Prostatakrebs erkrankte und sich ganz auf die Behandlung von Prostatakrebs-Patienten spezialisiert hat – Ed]

Urologe fs schrieb am 3.10.2013 unter dem Betreff „Active Surveillance, wiederholte Biopsien, Erektionsstörungen“:
Die Leitlinien sehen bei der AS die mindestens zweijährliche Re-Biopsie vor. Aber, werden sich viele gefragt haben, was gibt es außer der Infektion noch für Nebenwirkungen?
Gefährden AS und Biopsie möglicherweise meine Erektionsfähigkeit (Biospsie trifft z. B. das Nervenbündel ..) mehr als OP und Bestrahlung???
Ich habe hier deswegen mal einen Artikel dazu angefügt:
Auswirkung wiederholter Biopsien bei Prostatakrebs-Patienten unter Active Surveillance auf erektile Funktion
Bei vermehrter Diagnose von Prostatakrebs in einem frühen Krankheitsstadium sollen Patienten mit einem Low-risk-Tumor häufiger mit Active Surveillance die Therapiemaßnahmen bis zur Krankheitsprogression verschieben können. Damit verbunden ist die in regelmäßigen Abständen stattfindende Überwachung des Tumors in Biopsie-Stanzen. Diese werden heute routinemäßig durch Ultraschall-geleiteten Eingriff mit relativ geringem Risiko für ernsthafte Komplikationen gewonnen. Dennoch sollte einer des Öfteren vorgebrachten Hypothese nachgegangen werden, wonach wiederholte Prostata-Biopsien womöglich zu einer verminderten erektilen Funktion führen könnten (Braun K, et al. 2013):
Bisherige Mitteilungen über die erektile Funktion nach Prostata-Biopsien sind widersprüchlich: Einige Untersucher berichten von akuter bis lang anhaltender erektiler Dysfunktion (ED), andere wiederum konnten keinen Effekt ermitteln.
Es wurden 342 Männer identifiziert, bei denen die erste Prostata-Biopsie zwischen 2000 und 2009 vorgenommen worden war. Daten der Nachbeobachtung reichen bis Oktober 2011. Die erektile Funktion (EF) wurde anhand der sechs EF-Fragen des International Index of Erectile Function (IIEF)-Fragebogens eingestuft.
Die Patienten waren median 64 (58–68) Jahre alt. Anfänglich wurde ein medianer PSA-Wert von 4,7 (3,3–6,6) ng/ml ermittelt. Die mediane Dauer unter Active Surveillance betrug 3,5 Jahre. Von den Männern hatten 41 % Hypertonie [erhöhten Blutdruck – Ed] und 44 % Dyslipidämie [Fettstoffwechselstörung mit erhöhtem Cholesterin- und/oder der Triglyceridspiegel – Ed].
Bei den 342 Patienten unter Active Surveillance wurden insgesamt 521 Bestimmungen des IEF-6-Score durchgeführt. Die Scores nahmen während der Nachbeobachtung geringfügig ab (1,0 Punkte/Jahr über vier Jahre hinweg). Wurden nur Patienten ohne eine zu Beginn bestätigte erektile Funktion (n=79) berücksichtigt, war der Trend ganz ähnlich (Erniedrigung um 1,5 Punkte/Jahr über die ersten vier Jahre mit Active Surveillance).
Hatten Patienten zu Beginn der Untersuchung zwei oder mehr Komorbiditäten, war die erektile Funktion deutlich schlechter als bei Patienten mit keiner oder nur einer Komorbidität. Der Abfall über die Nachbeobachtungszeit war jedoch unabhängig von der anfänglichen Komorbidität. Die Verringerung des IIEF-6-Score stand auch im Zusammenhang mit der Anzahl der Biopsien. Zugleich stieg der Anteil der Patienten, von denen PDE5-Hemmer angewandt wurden von 1 % auf 15 % im Jahr 5 der Studie. Auch die Zunahme der PDE5-Anwendung stand im Zusammenhang mit der Anzahl der Biopsien.
Bei den longitudinal nachverfolgten Prostatakrebs-Patienten unter Active Surveillance wurden eine leichte Verschlechterung der erektilen Funktion und die vermehrte Anwendung von PDE5-Hemmern beobachtet.
Es war nicht möglich, den Effekt wiederholter Prostata-Biopsien vom natürlichen Alterungsprozess auf die erektile Funktion abzugrenzen. Die Befunde sprechen allerdings für die Folgerung, dass vermehrte Biopsien im Zusammenhang mit Active Surveillance die erektile Funktion kaum negativ beeinflussen.
-
Braun K, Ahallal Y, Sjoberg DD, et al. 2013. Effect of repeated prostate biopsies on erectile function in men under active surveillance for prostate cancer. J Urol [Epub ahead of print].

LowRoad schrieb am 13.7.2016 unter dem Betreff „PRIAS - Prostate Cancer Research International Active Surveillance“:
Hier möchte ich über eine Active Surveillance Studie berichten, die ausgehend von der PSA-Diagnose Studie ERSPC, versucht hat die unbefriedigende Übertherapieproblematik durch eine Active-Surveillance Strategie zu überwinden. Gestartet wurde sie 2006 an der Erasmus Universität (Rotterdam, The Netherlands). In den folgenden Jahren haben sich dann auch einige Kliniken andere Länder beteiligt. Die PRIAS Studie schloss insgesamt etwa 5300 Männer aus 18 Ländern ein:
Heute, zehn Jahre nach dem Start dieser Studie, wurde von Bokhorst und Kollegen im "European Urology"[1] ein erstes Zwischenergebnis präsentiert. Eingeschlossen wurden Männer, die der klassischen Niedrigrisikogruppe zuzuordnen waren:
- Stadium ≤T2c
- max. 2 positive Biopsiestanzen (Anzahl der Stanzen je nach Prostatvolumen: <40 cm³: 8, 40-60 cm³: 10, >60 cm³: 12 Stanzen)
- Gleason Grad ≤6
- PSA ≤10ng/ml und eine PSA Dichte von ≤0.2ng/ml je ml Prostatavolumen
Die aktive Überwachung verlangte eine PSA-Kontrolle alle drei Monate, eine Tastuntersuchung alle sechs Monate. Kontrollbiopsien waren nach einem, vier und sieben Jahren fällig. Bei kurzer PSA-Verdopplungszeit wurde die Rebiospierate erhöht.
Wurden im Laufe der Zeit die oben genannten Einschlusskriterien verletzt, musste der Patient die Aktive Überwachung zugunsten einer anderen Therapieform abbrechen. Nach fünf bzw. zehn Jahren waren das 52 % bzw. 73 %. Nicht alle davon wegen Verletzung der Einschlusskriterien, manche kamen auch mit der mentalen Belastung nicht klar, oder verließen die Studie aus anderen, unbekannten Gründen.
Interessant ist nun die Feststellung, dass etwa ⅓ der Patienten, die eine radikale Prostatektomie als Therapieform wegen Verletzung der AS Kriterien gewählt hatten, in der postoperativen Pathologie keine Situation vorgefunden wurde, die einen Abbruch der AS-Strategie verlangen oder nahelegen würde. In den meisten Fällen waren es mehr als zwei positive Stanzen, oder eine Verkürzung der PSA-Verdopplungszeit unter drei Jahre.
Dies ist nun wieder weniger überraschend, wo wir ja mittlerweile alle wissen, dass reine schablonenhaftes Biopsieren durchaus unterschiedliche Areale treffen, oder eben verfehlen kann. Weiterhin ist uns auch klar, dass eine PSA-Dynamik nicht unbedingt tumorassoziiert sein muss. Bokhorst erklärt dann folgendes Ergebnis dieser Studie:
... Wir schlagen eine Modernisierung des Gleason Grades, sowie eine Änderung des Tumorstadiums in ein ≥cT3 als den einzigen Indikator für eine sofortige Umstellung auf eine aktive Behandlung vor. Surrogate Indikatoren (zum Beispiel mehr als zwei positive Biopsiestanzen oder einen schnell steigenden PSA Wert) sollte nicht eine sofortige aktive Behandlung auslösen, sondern erst einmal nur zu weiteren Untersuchungen führen, um den Verdacht auf ein höheres Krankheitsrisiko zu bestätigen.
Dies sind nun doch sehr mutige Aussagen, die dem aktuellen Vorgehen eher nicht entsprechen. Allerdings dürfte heutzutage sowieso die AS-Überwachung durch Bildgebung hin optimiert werden. Ebenso hat es sich gezeigt, dass bei bedeutenden Gleason-4-Anteilen das Risiko stark zunimmt und man zu einer aktiven Therapie wie Operation oder Bestrahlung wechseln sollte. Eine Gleason-Reklassifizierung, die im Wesentlichen zwischen Gleasen 7a, 7b und ≥8 unterscheidet, ist in Diskussion.
Hinweisen möchte ich darauf, dass das Risiko, am Prostatakrebs zu versterben, auch bei Aktiver Überwachung nicht gegen Null tendiert, denn es wird leider immer ein paar übersehene Hochrisikosituationen geben, aber es erscheint äußerst niedrig. Eine generelle aktive Therapie würde dies kaum verbessern können, denn auch dabei würden nicht alle diese indolenten Hochrisikopatienten kurativ behandelbar sein, aber alle behandelten Männer würden das volle Therapierisiko tragen.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass das Todesrisiko aus anderen Gründen bei diesen Männern um ein Vielfaches höher liegt, aber meist sträflich unberücksichtigt bleibt! Urologen sind halt keine Allgemeinmediziner.
Auch die Lebenserwartung meint es nicht immer gut mit uns, müssen wir doch alle irgendwann einmal gehen. Und ob der PSA-Wert dann 0,01 ng/ml oder 35 ng/ml ist – wen kümmert’s?!
--------------------------------------------------------------------------
[1]: Leonard P. Bokhorst; A Decade of Active Surveillance in the PRIAS Study: An Update and Evaluation of the Criteria Used to Recommend a Switch to Active Treatment.